Monochrome Monday: Schattenwandler

Schattenwandler

Der Mond kroch über zerbrochene Glasfenster, als du den verfallenen Hof betratst. Nebelschwaden kriechen aus Ritzen im Kopfsteinpflaster und verweben sich mit deinem Atem. Zwischen den umgestürzten Steinreliefs schimmert ein schwerer, mit schwarzem Samt bespannter Thron. Darauf sitzt eine Gestalt, in deren dunklem Gewand nur zwei Augen leuchten, kalt wie poliertes Obsidian.

Inmitten des Schleiers aus schwerem Stoff blitzen nur zwei Augen auf. Sie sind schmal geschnitten, als hätten sie jahrhundertelang in der Tiefe gewartet, um endlich auszubrechen. Ihr Licht ist kein warmes Leuchten, sondern ein steriles, kaltes Glimmen, das den Beobachter unweigerlich einfängt. In ihrer Oberfläche tanzen Muster aus rissigem Eis: Spuren längst vergangener Albträume, festgefroren in einer Ewigkeit aus Schmerz und Gier.

Dein Herz bleibt einen Augenblick stehen, als sich diese Augen auf dich richten. Sie messen keine Entfernung, sie wägen keine Gnade ab. Stattdessen tastet ihr Licht nach verborgenen Hoffnungen und verschlingt sie. Du siehst dich selbst in ihnen – verzerrt, verzweifelt, verloren. Dann sinkt der Blick, als hielte ihn eine unsichtbare Macht zurück, und du ahnst, dass dieses Wesen niemals gütig sein wird.

Wenn dieser Blick dich durchbohrt, spürst du, wie jede Hoffnung hinwegschmilzt. Diese Augen sind kein Fenster zur Seele – sie sind ein Mahlstrom, der alles Leben einsaugt.

Avatar von Michael Schneider

Fotografie aus Leidenschaft

Michael Schneider ist Fotograf und Filmemacher aus Leidenschaft, mit einer Spezialisierung auf Tier- und Naturaufnahmen, Landschaftsfotografie und Portraitaufnahmen. Vornehmlich fotografiert er für sein privates Archiv, aber auch beruflich für Medienproduktionen und Projekte, Auftragsarbeiten und als freier Fotograf für Kunden.

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