Im Gewächshaus mit Madagaskars Mörderbaum

Crisdean Sutherland begibt sich im ausgehenden 19. Jahrhundert auf den Weg zu dem im Norden Schottlands gelegenen Herrenhaus der verwitweten Lady Caerlion McClayton, um dort eine Beschäftigung als Gärtner anzutreten. Nach verschiedenen unklaren Äußerungen der Angestellten über ihre Herrin empfängt sie Crisdean schließlich persönlich und stellt ihm seinen Aufgabenbereich vor. Dieser umfasst vor allem die Pflege eines großen Gewächshauses, in dem sich eine Vielzahl tropischer Pflanzen befindet, die dort mit großem Aufwand gehegt werden. Als Crisdean eines Nachts entgegen der ausdrücklichen Anweisung Lady McClaytons einen bestimmten Bereich des Gewächshauses betritt, entdeckt er einen furchteinflößenden Baum.

Die Geschichte Das Gewächshaus von Tobias Jakubetz in Verborgene Wesen V greift dabei einen Mythos auf, ein verborgenes Wesen der Kryptobotanik. Den Mörderbaum von Madagaskar.

Verborgene Wesen V
Verborgene Wesen V

Um das Jahr 1760 wurde erstmals eine seltsame Pflanze aus der neuen Welt (Amerika) beschrieben, die mit einer Art Maul Insekten fängt und diese verspeist. Viele Botaniker hielten zu jener Zeit eine solche Pflanze für absolut unmöglich und glaubten den ersten Berichten über diese neu entdeckte Spezies aus der Pflanzenwelt nicht. Kaum ein Gelehrter wollte den Geschichten glauben, dass diese außergewöhnliche Pflanze sich mit einem „Maul“ von Insekten ernährte. Erst als man mehrere Exemplare dieser Pflanze nach Europa verbrachte und angesehene Biologen die Nahrungsgewohnheiten mit eigenen Augen sahen und studieren konnten, ging diese ungewöhnliche Pflanze aus dem Reich der Legenden in die Botanik ein.

Venus-Fliegenfalle
Venusfliegenfalle

Heute kennt fast jeder diese Pflanze und sie steht in vielen Haushalten und kann in Fachgeschäften von jeder interessierten Person erworben werden: Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula)

Diese Pflanze gilt bis heute als einer der eigentümlichsten Vertreter der karnivoren (fleischfressenden) Pflanzen. Doch ist die Venusfliegenfalle tatsächlich der eigentümlichste Vertreter der karnivoren Pflanzen? Oder existieren irgendwo auf unserer Welt noch karnivore Pflanzen, die auch viel größere Lebewesen als Nahrung bevorzugen?

Ein Jahrhundert nach der Entdeckung der Venusfliegenfalle erhielt der polnische Biologe Dr. Omelius Fredlowski einen Brief seines deutschen Kollegen Carl Liche, der von einer wesentlich größeren Form einer karnivoren Pflanze berichtete.

In diesem Brief beschrieb Liche eine extrem mörderische Pflanze in den Wäldern der Insel Madagaskar, in dem er behauptet Zeuge eines Rituals geworden zu sein, als Einwohner der Insel dieser Pflanze eine lebende Frau als Opfer darbrachten. Laut seinen Worten verfolgte er das Geschehen von Grauen gepackt.

Liche verglich die Form dieser Pflanze mit der einer Ananas, mit einer Höhe von etwa 2,50 Meter und einem recht dicken Körper. Am oberen Ende erstreckten sich zu allen Seiten hin acht große, spitz zulaufende Blätter, die eine ungefähre Länge von 3,50 Metern besaßen. Den Kopf dieser Pflanze bildeten zwei konkav geformte Platten, die übereinander lagen und in denen sich eine sirupartige Flüssigkeit sammelte, die eine stark berauschende Wirkung besitzt. Am Ende dieser Platten tröpfelte diese Flüssigkeit langsam auf den umliegenden Boden. Offensichtlich war dieser Saft von den Einheimischen als starkes Rauschmittel begehrt. Unterhalb der Platten hingen mehrere dünne, grüne, etwa 2,50 Meter lange haarige Ranken, die sich in Richtung Boden bogen. Um den oberen Kranz der Pflanze stand eine Reihe von mehreren dünnen weißen „Fühlern“ von etwa 1,50 Meter Länge, die sich offensichtlich wie dünnes Haar im Wind bewegten und den Eindruck erweckten, als ob die Pflanze nach Opfern tastete.

Liche befand sich bei Forschungsarbeiten auf Madagaskar, als er von den Einheimischen Geschichten über dieses seltsame Gewächs hörte und seine Neugier für diese Pflanze geweckt wurde. Schließlich gelang es ihm bei einem Stamm ein Ritual mitzuverfolgen, welches die bösen Geister in der Pflanze besänftigen sollte. So kam es, dass er eine Gruppe von Menschen zur Pflanze mit ihrem berauschenden Saft begleiten konnte.

Die Gruppe versammelte sich um die Pflanze herum und begann damit mehrere Gebete an die Pflanze zu richten. Nachdem man das Gebet beendete, versammelte man sich um eine Frau, die unter den Menschen stand und richtete einige Worte an diese. Sie weigerte sich kurz, wurde aber schließlich durch die Worte der anwesenden letztendlich dazu gezwungen sich der Pflanze zu nähern. Langsam schritt sie mit gesenktem Kopf auf die Pflanze zu, berührte den aufsteigenden breiten Körper und stieg schließlich am Körper empor. Oben angekommen suchte sie halt und beugte sich vorsichtig an den sich bewegenden weißen Fühlern vorbei, um einen Schluck der sirupartigen Flüssigkeit zu trinken. Binnen weniger Augenblicke wurde diese von der Flüssigkeit berauscht. Als sie schließlich vom Baum springen wollte, geriet sie an die klebrigen Fühler, die sich daraufhin blitzartig zusammenzogen und die wild aufschreiende Frau umwickelten. Die Fühler legten sich um ihren Hals, den Kopf und den Brustkorb. Mit jeder Bewegung der schreienden Frau wurde sie immer weiter eingewickelt und festgehalten. Schließlich bewegten sich die acht großen Blätter langsam nach oben und verdeckten das grausige Schauspiel auf dem Kopf der Pflanze.

Während sich die großen Blätter immer fester nach oben zusammenzogen, gingen die Schreie der sich hilflos wehrenden Frau in ein gurgelndes Geräusch über. Schließlich umfingen die großen Blätter den gesamten Körper der Frau und drückten sich immer enger zusammen, bis man ein Knacken aus der Krone der Pflanze vernehmen konnte, als die Knochen der Frau zerschmettert wurden. Nach diesem Geräusch verstummte die Szenerie und nur die Geräusche des umliegenden Dschungels drangen an die Ohren der Anwesenden. Zwischen den Blättern rann eine zähflüssige Masse aus dem Saft der Pflanze, Blut und Gedärmen des Opfers heraus und tropfte zu Boden. Schweigend entfernte sich schließlich die Gruppe von der Pflanze.

Liche blieb mehrere Tage in der Nähe dieser Pflanze und beobachtete diese. Neun Tage lang geschah nichts und die Pflanze blieb fest verschlossen. Am zehnten Tag nach der Opferung fand Liche die Pflanze nach Sonnenaufgang wieder geöffnet vor. Die Ranken und die Blätter hingen wieder am Körper herab und die Fühler tanzten wie gehabt oben auf der Pflanze. Alles was an dieses grausige Schauspiel erinnerte waren einige zertrümmerte Knochen und ein blanker Totenschädel am Fuß der Pflanze.

In Europa wollte der Großteil der Biologen nicht an den Bericht von Liche und die Existenz dieser „Mörderpflanze“ glauben und man diskutierte hinter vorgehaltener Hand über diese Entdeckung. Erst in den 1920ern begab sich der ehemalige Gouverneur von Michigan (USA), Salmon Osborn, auf den weiten Weg nach Madagaskar, um nach dieser kuriosen Mörderpflanze zu suchen. Während seiner langen Suche fand er heraus, dass eben diese Pflanze sehr gut bei den Einwohnern und auch bei Missionaren bekannt war. Diese Pflanze war laut seinen Ermittlungen der Grund dafür, das die Insel Madagaskar viele Jahrhunderte als „Land des menschenfressenden Baums“ unter den Bewohnern der Insel und der angrenzenden Gebiete Afrikas und Asiens bekannt war. Allerdings konnte er diese Pflanze nicht selbst finden und erhielt nur Erzählungen darüber, dass diese Pflanze sehr selten geworden sei.

Ob Carl Liche tatsächlich Zeuge dieses Opfers wurde oder in seinem Brief lediglich eine Geschichte erfand, basierend auf Erzählungen der Einheimischen, ist bis heute umstritten. Erstmals wurde die Geschichte um die Mörderpflanze im „Journal des Voyages“ vom 8. September 1878 veröffentlicht. Möglicherweise handelt es sich um eine reich ausgeschmückte Erzählung, die auf verschiedenen Berichten ungewöhnlicher Pflanzen beruht. Bei Recherchen zu Carl Liche und Dr. Fredlowski konnten keine eindeutigen Hinweise auf deren Existenz gefunden werden.

Siehe auch: Shuker, Karl P.N., Weltatlas der rätselhaften Phänomene, Gondrom Verlag, 1996, ISBN 3881214918, Seite 101

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